Freitag, 2. November 2018

Zwischen Main, Alpen und Donau

Gegen den Aufgang ström ich, der Freiheit, der Musen Gefilde
Laß ich hinter mir lang, eh der Euxin mich noch trinkt.“

- Friedrich Schiller: Donau


November. Zurück liegen die Tage der Weinreife letzten Jahres, voran auf hölzernem Tisch deren Ergebnis: der gute Wein von den Ufern der Donau und ihrer Hügel, einen Handgriff weit. Zurück liegen die Tage der Sonne und ihres Marmorglanzes, vor mir nur Nebelfelder; und alter Sage Kraft im Sinn will ich so nun zu erzählen beginnen, mich auf eine Reise machen: vom Main hinunter zu den Rändern der Alpen, auch die Donau entlang, und hin bis an die Vorhöfe pannonischer Felder.

Auch dort am Maine, dem Moenus, wächst Wein, der edle, vor Jahrtausenden gebracht uns vom Sonnenland her. Am Ufer des Wassers stehen Maines schönste Kinder, Würzburg und Kitzingen zweie davon, wo prächtige steinerne Brücken den Strom überqueren, wo Kirchen und Dome gebaut, wo heiliger Ernst ferner Tage noch sichtbar ist, in deren Kirchenschiffen. Die Menschen dort sind fleißig und fröhlich, wie auch das Winzerhandwerk als des Ortes Sinnbild es fordert: Ernst, Mühe und Arbeit eines, am Ende doch Frohsinn, ins Glas eingegossen.
Dies sind die Franken, die dort leben, ein Menschenschlag nicht Bayer, aber auch nicht der Norden, und näher verwandt dem Herzen des Südens und inniger ihm so denn Berliner Sand.

Fort von Franken gehen wir ab nun, hinan zu den Bergen des Bayernwaldes und seinen Forsten und Flüssen; Schwarzer Regen, Waldnaab und Naab dann: die durchziehen die Wälder, und auch hier säumen uralte Städte und Orte die Ufer. Seine Bürger sind schweigsam, ehrlich und stur, einerseits, andrerseits aber auch gastfrei, gewitzt und schlau, lieben Heimat und Flussufer. Abkömmlinge sind sie von Goten, Slawen und Kelten, stehen fest als solche auf dem Boden des Landes; und blicken doch weiter und weiter hinaus.

Am Ufer der Donau bei Regensburg sieht man schon fast - zumindest vor innerem Auge - die Ränder der Alpen, am Horizont, südlich dahin, hinter noch Laber und Isar, Isara, wie sie die Römer genannt, und Vils und Inn, Aenus: dort stechen die Spitzen der Alpen in weißblaue Himmel und Steinschlag droht - hoher Adler grüßt schon den Süden mit mächtiger Flanke, Winde und Hornklang hört man, wie der Vorzeit Gespenster; dort rasten wir kurz und grüßen sie stumm.
Regensburg, ein Römerkind auch, erbaut auf eines Kastells mächtigen Quadern. Die frohe Stadt ist noch heute südlich von Art, italischer Weise, geziert von reizenden Bauten an den Ufern beidseits. Strudeln hinab folgen wir dem Flusse bis Donaustauf, wo stolze Stufen hinaufgeh'n zum griechischen Tempel und den steinernen Büsten großer Geister darin.

Passau und Linz, wir können sie kurz nur streifen, und schauen doch ihre Schönheiten an, ihre stolze und schwere Geschichte, katholische Frömmigkeit hier und dort, in seinen Domen, und ruhige Andacht in seinen Kapellen. Auch ehrwürdig alte Bürgerhäuser, auch bronzenes Denkmal auf lebhaftem Platz. Geteilt durch die Grenze, doch Schwestern und Brüder im Glauben, und bay'rische Zunge hält beide vereint.

Dem Donaufluss selbst auch einige Worte, dem europäischen, alten Wasser. Grenzfluss und Straße von Raetia nach Noricum einst, Sankt Severins Spuren an ihrem Rande, Wellen spiegeln den Wechsel der Zeiten, den Wandel der Menschen und ihrer Gedanken, die Größe der Kunst, den Adel der Klöster, in Bayern wie Öst'reich, nördlich wie südlich des Wellengestades. Boote sahst du, auch Feldherren überschritten dich; und kehrten mit blut'ger Kleidung zurück. Die Mauern der Städte an deinen Ufern, die Steinplatte ihrer Wege und Straßen im Sonnenlicht. Deine Brücken verbanden Länder, verbanden Menschen, verbanden auch Zeiten, denen gemeinsam die steinernen und hölzernen Brücken des Bayernflusses war'n.

Das Melk der Wachau, Pracht und auch Schande seiner Geschichte, wie mancherorts zwischen Donau und Main. Auf hohem Felsen thront seine Abtei. Vorbei an Krems und Tulln erreichen wir Wien, Vindobona dem Römer, Regensburgs Schwester auf mancherlei Art. Wien die Schöne, die Tausendgerühmte – Stadt der Kaiser und der Traditionen, Stadt des Neuen und Ewigjunge. Hier will ich stehen vor Sankt Stefan und heben die Grußhand der Donau, den Gruß ihr geben auf der Fahrt, hin bis an die Flanken des Paris des Südostens – der Bukarest.

Nun sehe ich wieder Nebelbänke, und Felsen, ein weit'rer Schluck Wein. So denk ich daran, dass einmal, wer weiß, sich diese Länder zwischen Main, Alpen und Donau abkehren mögen vom Norden und seinen Menschen, von Hamburg, Berlin, von Preußens scheinbar ew'gem Sog. Die Schwestern und Brüder in Denkart, Sprache und Geschichte mögen, wer weiß, so dann zusammenstehen in eigener Geschichte und eigenem Land: Wien das Haupt... und Regensburg der Arme Rechter. Und Neues zieht auf!

So nun aber stehe ich, wie im Traum, vor Sankt Stefan zu Wien, erhebe mein Glas; und schweige ein wenig.

















Text: Cătălin Păduraru
Bild: Saskia K., "Donau"

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