„Gegen den Aufgang ström ich, der
Freiheit, der Musen Gefilde
Laß ich hinter mir lang, eh der Euxin
mich noch trinkt.“
- Friedrich Schiller:
Donau
November. Zurück liegen die Tage der Weinreife
letzten Jahres, voran auf hölzernem Tisch deren Ergebnis: der gute
Wein von den Ufern der Donau und ihrer Hügel, einen Handgriff weit.
Zurück liegen die Tage der Sonne und ihres Marmorglanzes, vor mir
nur Nebelfelder; und alter Sage Kraft im Sinn will ich so nun zu
erzählen beginnen, mich auf eine Reise machen: vom Main hinunter zu
den Rändern der Alpen, auch die Donau entlang, und hin bis an die
Vorhöfe pannonischer Felder.
Auch dort am Maine, dem Moenus,
wächst Wein, der edle, vor Jahrtausenden gebracht uns vom Sonnenland
her. Am Ufer des Wassers stehen Maines schönste Kinder, Würzburg
und Kitzingen zweie davon, wo prächtige steinerne Brücken den Strom
überqueren, wo Kirchen und Dome gebaut, wo heiliger Ernst ferner
Tage noch sichtbar ist, in deren Kirchenschiffen. Die Menschen dort
sind fleißig und fröhlich, wie auch das Winzerhandwerk als des
Ortes Sinnbild es fordert: Ernst, Mühe und Arbeit eines, am Ende
doch Frohsinn, ins Glas eingegossen.
Dies sind die Franken, die dort leben,
ein Menschenschlag nicht Bayer, aber auch nicht der Norden, und näher
verwandt dem Herzen des Südens und inniger ihm so denn Berliner
Sand.
Fort von Franken gehen wir ab nun,
hinan zu den Bergen des Bayernwaldes und seinen Forsten und Flüssen;
Schwarzer Regen, Waldnaab und Naab dann: die durchziehen die Wälder,
und auch hier säumen uralte Städte und Orte die Ufer. Seine Bürger
sind schweigsam, ehrlich und stur, einerseits, andrerseits aber auch
gastfrei, gewitzt und schlau, lieben Heimat und Flussufer.
Abkömmlinge sind sie von Goten, Slawen und Kelten, stehen fest als
solche auf dem Boden des Landes; und blicken doch weiter und weiter
hinaus.
Am Ufer der Donau bei Regensburg sieht
man schon fast - zumindest vor innerem Auge - die Ränder der Alpen,
am Horizont, südlich dahin, hinter noch Laber und Isar, Isara,
wie sie die Römer genannt, und Vils und Inn, Aenus: dort
stechen die Spitzen der Alpen in weißblaue Himmel und Steinschlag
droht - hoher Adler grüßt schon den Süden mit mächtiger Flanke,
Winde und Hornklang hört man, wie der Vorzeit Gespenster; dort
rasten wir kurz und grüßen sie stumm.
Regensburg, ein Römerkind auch, erbaut
auf eines Kastells mächtigen Quadern. Die frohe Stadt ist noch heute
südlich von Art, italischer Weise, geziert von reizenden Bauten an
den Ufern beidseits. Strudeln hinab folgen wir dem Flusse bis
Donaustauf, wo stolze Stufen hinaufgeh'n zum griechischen Tempel und
den steinernen Büsten großer Geister darin.
Passau und Linz,
wir können sie kurz nur streifen, und schauen doch ihre Schönheiten
an, ihre stolze und schwere Geschichte, katholische Frömmigkeit hier
und dort, in seinen Domen, und ruhige Andacht in seinen Kapellen.
Auch ehrwürdig alte Bürgerhäuser, auch bronzenes Denkmal auf
lebhaftem Platz. Geteilt durch die Grenze, doch Schwestern und Brüder
im Glauben, und bay'rische Zunge hält beide vereint.
Dem
Donaufluss selbst auch einige Worte, dem europäischen, alten Wasser.
Grenzfluss und Straße von Raetia nach Noricum einst,
Sankt Severins Spuren an ihrem Rande, Wellen spiegeln den Wechsel der
Zeiten, den Wandel der Menschen und ihrer Gedanken, die Größe der
Kunst, den Adel der Klöster, in Bayern wie Öst'reich, nördlich wie
südlich des Wellengestades. Boote sahst du, auch Feldherren
überschritten dich; und kehrten mit blut'ger Kleidung zurück. Die
Mauern der Städte an deinen Ufern, die Steinplatte ihrer Wege und
Straßen im Sonnenlicht. Deine Brücken verbanden Länder, verbanden
Menschen, verbanden auch Zeiten, denen gemeinsam die steinernen und
hölzernen Brücken des Bayernflusses war'n.
Das Melk der
Wachau, Pracht und auch Schande seiner Geschichte, wie mancherorts
zwischen Donau und Main. Auf hohem Felsen thront seine Abtei. Vorbei
an Krems und Tulln erreichen wir Wien, Vindobona dem Römer,
Regensburgs Schwester auf mancherlei Art. Wien die Schöne, die
Tausendgerühmte – Stadt der Kaiser und der Traditionen, Stadt des
Neuen und Ewigjunge. Hier will ich stehen vor Sankt Stefan und heben
die Grußhand der Donau, den Gruß ihr geben auf der Fahrt, hin bis
an die Flanken des Paris des Südostens – der Bukarest.
Nun sehe ich wieder Nebelbänke,
und Felsen, ein weit'rer Schluck Wein. So denk ich daran, dass
einmal, wer weiß, sich diese Länder zwischen Main, Alpen und Donau
abkehren mögen vom Norden und seinen Menschen, von Hamburg, Berlin,
von Preußens scheinbar ew'gem Sog. Die Schwestern und Brüder in
Denkart, Sprache und Geschichte mögen, wer weiß, so dann
zusammenstehen in eigener Geschichte und eigenem Land: Wien das
Haupt... und Regensburg der Arme Rechter. Und Neues zieht auf!
So
nun aber stehe ich, wie im Traum, vor Sankt Stefan zu Wien, erhebe
mein Glas; und schweige ein wenig.
Text: Cătălin Păduraru
Bild: Saskia K., "Donau"